Die Beziehungen der Herren
von Truhendingen zu Gunzenhausen

 

Reinnerus de Gunzenhausen

Unter den Kunden aus dem Adelskreis wird in dem Handlungsbuch der Holzschuher in Zeile 2 ein „Reinner de Gunzenhausen“ erwähnt (1). Wer war dieser Mann? Da er unter den Kunden aus dem Adelskreis eingetragen ist und der Schreiber des Handlungsbuches seine Warenschuldner genau nach ständischen Gesichtspunkten gliederte, müssen wir in Reinner de Gunzenhausen einen Angehörigen der gehobenen Gesellschaftsschicht erblicken. Doch wird innerhalb der Konten des Adels keine Rangordnung eingehalten. Es stehen also Warenschuldner großer Dynastengeschlechter wie der Truhendinger, der Schlüsselberger, der Orlamünde mitten unter denen ihrer Dienstleute und Beamten. Daher läßt sich zunächst nichts Näheres über den Stand und die Stellung Reiners von Gunzenhausen aussagen.

Da aber nun im Sonderkonto des Grafen Ulrich von Truhendingen, das auf drei Seiten über 101 Geschäftsvorgänge Auskunft gibt, mehrere Male ein Reinnerus allerdings ohne weitere Bezeichnung erscheint, kann mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Seltenheit des Namens Reiner angenommn werden, daß der in Zeile 2 genannte Reiner de Gunzenhausen und der im Sonderkonto des Grafen Ulrich von Truhendingen erwähnte Reinnerus ein und dieselbe Person sind. Damit ergibt sich nun auch ein neuer Hinweis, daß zu jener Zeit, da das Handlungsbuch der Holzschuher aufgezeichnet wurde, nämlich in den Jahren 1304 bis 1307, ein truhendingischer Vogt in Gunzenhausen seinen Sitz hatte. Obwohl unsere Hoffnungen üer den Wert des Handlungsbuches nicht zu hochgespannt werden dürfen, da die Angaben über Herkunft und Stand der Warenschuldner nur sehr knapp gehalten sind, die Kenntnis der lateinischen Sprache des Verfassers „eine recht mäßige gewesen ist und die Eintragungen reich an Verstößen sind“, so können diese wenigen Angaben über Reiner von Gunzenhausen für die Ortsgeschichte Gunzenhausens soviel Aufschluß geben, daß die Zeit um 1300 eine truhendingische Herrschaft als gesichert gelten kann. Reinnerus de Gunzenhausen gehörte einer Ministerialenfamilie der Truhendinger an. So ist es auch nicht verwunderlich, daß in dem Sonderkonto des Grafen Ulrich von Truhendingen in Zeile 2149 und 2150 als Warenschuldner ein „advocatus de Gunzenhausen“ genannt wird (2).

Dieser Advocatus aber ist Reiner von Gunzenhausen. Der Schreiber nennt ihn einmal mit seinem vollen Namen (Reinner de Gunzenhausen) ohne Standesbezeichnung, ein andermal einfach nach seinem Vornamen (Reiner) und ein drittes Mal genügt für ihn die bloße Standesbezeichnung (advocatus). Das ist ein Hinweis, daß es eben zu jener Zeit nur einen Vogt über Gunzenhausen gab und das war ein Dienstmann der Truhendinger. Man muß bedenken, daß die Einträge in das Handlungsbuch ja keinen urkundlichen Charakter trugen, gleichsam nur notizenhaft aufgeschrieben wurden, so daß in der Eile ein und dieselbe Person in stets variierter Namensform auftreten konnte.

Einige Schwierigkeiten bei der Einreihung unseres Reinnerus de Gunzenhausen in die Truhendinger Ministerialität bereitet uns freilich sein Vorname Reinnerus, den der Schreiber des Handlungsbuches einmal in der deutschen Form Reiner, ein andermal in der latinisierten Reinnerus eingetragen hat. Es handelt sich wohl um den althochdeutschen Personennamen Reinmar, Reginmar. Dieser Vorname wird allerdings selten verwendet in den weit verzweigten Familien der Truhendinger Ministerialen. 1279 erscheint aber in einer Urkunde ein „Reynmarus de Truhendingen“ (21). Dieser gehörte aber nicht etwa der hochadeligen Familie der Truhendinger an, sondern einer oettingischen Dienstmannenfamilie, die sich nach Altentrüdingen „von Truhendingen“ benannte. Es ist eine nicht seltene Erscheinung des Mittelalters, daß Dienstleute oft die gleichen Rufnamen tragen wie ihre edelfreien Herren und dann schwer voneinander zu scheiden sind. In der Familie des Reymarus de Truhendingen begegnet uns ein Dienstmannengeschlecht, das im Burgendienst entweder in Hohentrüdingen oder Altentrüdingen verwendet wurde und sich nach einer dieser Burgen benannte. Im 13. Jahrhundert war eine planmäßige Mehrung der Truhendinger Burgen eingetreten, Stützpunkte ihrer militärischen Kraft. Mit der Kommandantschaft über diese Burgen wurden die Dienstmannenfamilien betraut, die sich dann nach ihrem Dienstsitz benannten. Reinner de Gunzenhausen führte seinen Namen nach seiner Vogtburg in Gunzenhausen. Der Vorname Reinner jedoch könnte auf eine Verwandtschaft mit dem Dienstmannengeschlecht des Reinmar von Truhendingen hinweisen.

Anmerkungen

  1. Der volle Eintrag lautet: Reinner de Gunzenhausen lib. 1 ½ in 6 ulnis viridi Jakobi.
  2. Handlungsbuch der Holzschuher,
      Zeile 2149: Item 13 lib. Pro cocis ante illum advocatus de Gunzenhausen.
      Zeile 2150: Item 6 ulnas strifula Popriger advocatus de Gunzenhausen.
  3. Heidingsfelder, Regesten Nr.908.