Die Beziehungen der Herren
von Truhendingen zu Gunzenhausen

 

Chunrat de Gunczinhusen

Schon um 1200 muß in Gunzenhausen ein Dienstmannengeschlecht beheimatet gewesen sein, das die weltliche Herrschaft über die ellwangischen Untertanen im Auftrag der Truhendinger ausübte und das sich nach seinem Dienstsitz Gunzenhausen benannte. Die Ungunst der urkundlichen Überlieferung läßt uns allerdings nur Glieder dieser Familie erkennen, die dem geistlichen Stande angehörten. Von den weltlichen Angehörigen, die wohl als Vögte in Gunzenhausen gewirkt haben könnten, erfahren wir leider nichts. Man darf aber mit Recht die Meinung vertreten, daß Gunzenhausen in der ausgehenden Stauferzeit Stammsitz eines eigenen, niederadeligen Geschlechtes war, das dort im Dienste einer hochadeligen Familie die Vogtei verwaltete.

In einer Urkunde vom Jahre 1210 unter Bischof Hartwig von Eichstätt erscheint ein „Chunrat de Gunczinhusen“ als Eichstätter Domherr (1). Lediglich diese einzige Erwähnung in der Zeugenreihe einer Eichstätter Urkunde gibt uns Kunde über ein in Gunzenhausen beheimatetes Ortsadelsgeschlecht. Das ist fürwahr eine sehr dürftige Überlieferung, die uns auf Herkunft und die eigentlichen Schicksale dieser Familie, der Konrad angehörte, nur ganz spärliche Ausblicke gestattet. Daß der Domherr zu Eichstätt nicht aber einfach einer bürgerlichen oder unfreien bäuerlichen Familie aus Gunzenhausen entstammte, das geht jedenfalls aus der Tatsache hervor, daß zu jener Zeit nur Abkömmlinge adeliger Familien als Mitglieder in die Domkapitel aufgenommen wurden. In der Regel konnten noch im hohen Mittelalter nur Edelfreie in die Genossenschaft der Domkanoniker eintreten. Nachgeborene Söhne hochfreier Familien wurden durch die reichen Pfründen der Stiftskanonikate angelockt. Eine auf Erhaltung des erworbenen Besitzes ausgehende Familienpolitik unter den adeligen Geschlechtern versuchte diese benachteiligten Erben dadurch zu entschädigen, daß sie ihnen die Beschaulichkeit der Mönchszellen als ein zu erstrebendes Ideal vor Augen führte. In der Folgezeit erlangten jedoch auch Angehörige von Ministerialenfamilien Zugang zu den Pfründen der Domkapitel.

In Chunrat de Gunczinhusen dürfen wir also auch einen nachgeborenen Sohn einer Ministerialenfamilie erblicken, die in Gunzenhausen ihren namengebenden Dienstsitz hatte. Über Besitz und Recht dieser Dienstmannenfamilie schweigen leider die Quellen. Man darf lediglich die Vermutung aussprechen, daß auch der in einer Urkunde über die Schenkung der Adelheid von Absberg an das Kloster zu Auhausen an der Wörnitz als Zeuge genannte Auhausener Mönch „Cunradus de Gunzenhusen“ ebenfalls ein Angehöriger des in Gunzenhausen beheimateten Dienstmannengeschlechtes gewesen ist (2).

An eine Identität des 1210 genannten Domherrn Chunrat und des etwas später (1238) erwähnten Mönches Conradus in Auhausen wird kaum gedacht werden dürfen, denn es ist unwahrscheinlich, daß der in einflußreicher Stellung als Kanoniker um 1210 lebende Chunrat seine Pfründe in Eichstätt aufgegeben und besitzloser Auhausener Mönch geworden ist. Wohl aber liegt eine Verwandtschaft der beiden sehr nahe, da sie den gleichen Rufnamen Conrad besitzen, der als Leitname dieses Dienstmannengeschlechtes aufgefaßt werden kann. Meine ursprüngliche Annahme, Chunrat, der Eichstätter Domherr, und Conrad, der Auhausener Mönch, seien Angehörige einer edelfreien Sippe, die ich im „Gunzenhäuser Heimatboten“ Bd. VIII, Nr.16 u.17, S.63 u. 65 angedeutet habe, wird wohl nicht zu halten sein. Es treten aber gerade in unserem heimatlichen Raum mehrere kleinadelige Familien auf, die nicht dem Ministerialenstande zuzurechnen sind, aber auch nicht der hochadeligen Aristokratie angehören können. Dieses Nebeneinander von Freien und Ministerialen im Ries, um den Hesselberg und an der oberen Altmühl beschäftigte schon den bekannten Tübinger Historiker Heinrich Dannenbauer, der vermutet, daß viele der kleinen Freien und der Ministerialen in dieser Gegend aus dem Stande der karolingischen Königsfreien hervorgegangen sind, zumal unser heimatlicher Raum altes Königsland war (3).

Vom Namen Konrad her, den wir als Leitnamen auffassen, ergibt sich vielleicht eine Beziehung zu der weitverzweigten Ministerialenfamilie derer von Muhr (Altenmuhr bei Gunzenhausen). Da auch dort der Name Konrad wiederholt für Mitglieder dieser Sippe gegeben wurde, ist durchaus möglich, daß eine Seitenlinie dieses mannigfach verschlungenen Geschlechts sich nach dem Dienstsitz in Gunzenhausen nannte. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Herren von Muhr würde einen Hinweis bedeuten, daß auch die in Gunzenhausen beheimatete Ministerialenfamilie, der Konrad angehörte, in Truhendinger Diensten stand, denn die Muher treten wiederholt in Urkunden als Dienstleute der Edlen von Truhendingen auf. Die Überlieferung über die Familie dieses dem geistlichen Stand angehörenden Chunrat de Gunczinhusir ist leider so lückenhaft und dunkel, daß wir keinen klaren Blick gewinnen können, ob diese Ministerialenfamilien im Dienste der Truhendingen stand und in deren Auftrag die Vogtei über Gunzenhausen verwaltete.

Anmerkungen

  1. Heidungsfelder, Regesten d. Bisch. v. Eichstätt, Nr.555.
  2. Alt-Gunzenhausen, Heft13, S.8, Nr.3.
  3. Heinrich Dannenbauer, Grundlagen der mittelalterlichen Welt, Stuttgart 1956, S.340.