Die Beziehungen der Herren
von Truhendingen zu Gunzenhausen

 

Der Streit um den Kirchensatz in Gunzenhausen 1263

Im Jahre 1263 kam es zwischen dem Abt von Ellwangen und dem Edlen Friedrich von Truhendingen zu einem Rechtsstreit über den Kirchensatz zu Gunzenhausen. Der Streit wurde vor einem bischöflichen Schiedsgericht im Chor der Domkirche in Eichstätt unter Vorsitz von Bischof Hildebrand dahin entschieden, daß das Kloster Ellwangen weiterhin im Besitz des Patronatsrechts verbleiben solle, da es wohl schon immer rechtmäßiger Inhaber war (1). Ein Ellwanger Konventuale, Wolfram von Kottspiel (2), wurde vom Bischof als Kleriker bestätigt. Im heimatgeschichtlichen Schrifttum hat dieser Streit um das Besetzungsrecht an der Pfarrkirche in Gunzenhausen schon eine eingehende Darstellung durch Lic. Clauß erfahren (3). Es ist daher in diesem Rahmen nicht notwendig, nochmal zu erläutern, was bereits durch den hervorragenden Heimatforscher Clauß vor Jahren schon geschehen ist.

Hier seien lediglich noch einige Bemerkungen angeführt, die zur Klärung unserer Frage beitragen können, ob um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Grafen von Oettingen oder die Edlen von Truhendingen Herren in Gunzenhausen waren. Über die Gründe, die Friedrich von Truhendingen veranlaßten, nun plötzlich Ansprüche auf das Patronatsrecht in Gunzenhausen anzumelden, sind wir nicht unterrichtet. Gewiß wird man das Vorgehen Friedrichs V. von Truhendingen vorwiegend aus dem Geiste jener Zeit begreifen können, die wir in der Geschichte als das Interregnum bezeichnen.

Die Zerstörung der deutschen Kaisermacht und der Untergang des Hohenstaufengeschlechts waren ein Unglück für die Deutschen. Von nun an fehlte ein kraftvolles Kaisertum, dessen großartiges Streben den weltlichen und geistlichen Größen Ziel und Wege wies. Jetzt aber verblaßten die Ideale des Rittertums, der Adel sah keine großen Aufgaben mehr vor sich. Die kleinen Interessen drängten in den Vordergrund. Der Adel verflocht sich in territoriale Verwicklungen und nachbarliche Fehden. Die Edlen des Reiches wurden ausschließlich von der Begierde nach Macht und Erwerb ergriffen, der Aufbau eines eigenen Territoriums ließ sie rücksichtslos hart und selbstsüchtig näher gesteckte Ziele verfolgen als die entfernten hohen Ideale der Stauferzeit.

Ein Abglanz jener stürmischen Zeit, die erfüllt war von dem erbitterten Ringen um Aufstieg oder Niedergang edler Geschlechter, fällt auch auf das Geschlecht der Truhendinger. In Friedrich V. begegnet uns ein eigentümlicher Vertreter seiner Zeit, der in den traurigen Wirrnissen, die über Deutschland hereinbrachen, gewohnt war, seine Machtansprüche mit dem Schwerte durchzusetzen. Als im Jahre 1248 der noch jugendliche, aber leidenschaftliche Herzog Otto von Meranien kinderlos starb, brachen in Ostfranken erbitterte Streitigkeiten um sein Erbe aus. Friedrich V. von Truhendingen hatte Margaretha, die Schwester Herzog Ottos von Meranien geheiratet. Damit fiel ihm ein Teil des Meranischen Erbes zu. Die Teilung der Erbschaft löste jedoch erbitterte Streitigkeiten mit dem Bischof von Bamberg aus, zumal Eigengüter und Kirchenlehen heillos vermengt waren. Es kam zum Meranischen Erbfolgekrieg, den Friedrich von Truhendingen gemeinsam mit dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg und dem jungen thüringischen Grafen Otto von Orlamünde gegen den Bischof von Bamberg führte. Heftige Kämpfe, die den Bischof von Bamberg, aber auch die Truhendinger in schwere Schuldenlast stürzten und sein Bistum durch Feuer und Hunger verwüsteten, wechselten mit endlosen Schiedsprüchen der benachbarten Fürsten ab, ehe man sich zum Frieden entschloß.

Man könnte nun versucht sein, in Friedrich V. von Truhendingen einen rohen und gewalttätigen Herrscher zu erblicken, der seine territorialen Ziele rücksichtslos durchzusetzen strebte. Gewiß, der Meranische Erbfolgekrieg, der von ihm mit äußerster Erbitterung geführt wurde, steigerte in ihm die Begierde nach Macht und Erwerb, ließ ihn hart und eigennützig nun auch im südlichen Teil seiner Herrschaft werden. Der Anspruch auf das Patronatsrecht in Gunzenhausen beruhte gewiß nicht auf rechtlichen Grundlagen, denn die Pfarrkirche in Gunzenhausen war wohl eine alte ellwangische Eigenkirche aus dem 9. Jahrhundert. Es fragt sich aber, ob der Truhendinger es hätte wagen können, wenn er nicht schon in Gunzenhausen im Besitze der Vogtei gewesen wäre, nunmehr auch Ansprüche auf die Pfarrei zu erheben. Wenn die mächtigen Grafen von Oettingen - wie es doch die Befürworter einer frühen oettingischen Herrschaft über Gunzenhausen annehmen - schon ununterbrochen seit dem 11. Jahrhundert als Nachfolger der königlichen judices - im Besitz der Herrschaft über Gunzenhausen gewesen wären, dann hätte der plötzliche Anspruch Friedrichs von Truhendingen auf ein von Oettingen beschütztes Recht doch die Oettinger als Vögte von Gunzenhausen zur Abwehr auf den Plan rufen müssen.

Die Oettinger als Schutzherrn über die ellwangischen Untertanen und Besitzungen in Gunzenhausen hätten sicher nicht ohne Widerspruch zugelassen, daß nunmehr ein in Gunzenhausen Fremder sich ohne rechtliche Grundlage in den Besitz des Patronatsrecht setzt. Das hätte wohl in jener bewegten Zeit, in der jeder nüchtern und selbstsüchtig nach Erwerbungen strebte, zur Fehde mit den Oettingern führen müssen. Aber von einem Einspruch der Oettinger Grafen in diesem Streit um das Patronatsrecht in Gunzenhausen erfahren wir nichts. Sie hatten auch wohl keine rechtlichen Grundlagen, sich in den Streit zwischen dem Abt von Ellwangen und dem Edlen von Truhendingen einzumischen. Obwohl die Grafen von Oettngen Vögte des Klosters Ellwangen waren, die Vogtei über die ellwangischen Güter in und um Gunzenhausen lag als Teilvogtei in den Händen der Gafen von Truhendingen.

Friedrich V. von Truhendingen, ermutigt durch die Efahrungen aus dem Meranischen Erbfolgekrieg und von dem eigennützigen Streben erfüllt, möglichst viel Rechte zum Aufbau eines eigenen Territoriums zu erwerben, wagte nunmehr Ansprüche auf den Kirchensatz in Gunzenhausen zu erheben, nachdem er schon im Besitz der Vogtei dort war. Clauß, der in seinem Aufsatz über die mittelalterliche Geschichte der Stadt und Pfarrei Gunzenhausen (4) sich auch mit dem Vorgehen Friedrichs befaßte, glaubte hier, daß der Truhendinger in Gunzenhausen vor 1263 überhaupt keine Rechte besaß, sondern „zunächst die Pfarrei und dann folgeweise auch den Ort Gunzenhausen an sich zu reißen suchte“. Er ist der Meinung, daß Friedrich V. über den Kirchensatz in den Herrschaftsbereich Ellwangens einzubrechen versuchte, um schließlich den ganzen 0rt Gunzenhausen in seine Hände zu bekommen. Die Vorstellung, daß die Truhendinger Nebenbuhler der Oettinger in Gunzenhausen gewesen wären, muß aber aufgegeben werden, denn keine heimatliche Geschichtsquelle berichtet von einem Streit zwischen den Grafen von Oettingen und den Edlen von Truhendingen.

Kehren wir dagegen zu der ursprünglichen Anschauung des Historikers von Lang zurück, der die Herrschaft der Truhendinger über Gunzenhausen auf dem Erbwege an die Oettinger kommen läßt, so wird diesen Widersprüchen der Boden entzogen. Der Patronatsstreit erscheint als eine Angelegenheit, die allein zwischen den Herren von Truhendingen, den Vögten über Gunzenhausen, und dem Kloster Ellwangen ausgetragen wurde, dessen Güter an der mittleren Altmühl von dem Truhendingern bevogtet wurden.

Anmerkungen

  1. Heidingsfelder, Regesten Nr.815 u.816.
  2. Über die Heimat der Herren v. Kottspiel, siehe neuerdings Württ. Franken 1957 s.189-190.
  3. Alt-Gunzenhausen, Heft2, S.8-10, u.Alt-Gunzenhausen Heft 7, S.18-20,27.
  4. Alt-Gunzenhausen Heft 2, S.10.