Die Beziehungen der Herren
von Truhendingen zu Gunzenhausen

 

Die Forschungslage

Karl Heinrich von Lang

Karl Heinrich von Lang

Diese Feststellung des bekannten Historikers Georg von Below gilt in gewissem Maße auch für die mittelalterliche Geschichte unserer Kreisstadt Gunzenhausen. Seitdem man sich mit der Vergangenheit dieser Stadt beschäftigt, hat immer wieder die eine Frage die Federn in Bewegung gesetzt: Wem gehörte Gunzenhausen im hohen Mittelalter? Verschiedene gegensätzliche Auffassungen treten sich hier im heimatlichen Schrifttum gegenüber, aber keine der vorgetragenen Ansichten hat sich bisher rechten Beifalls erfreuen dürfen.

Die ältere Anschauung, vorgetragen durch den vielgerühmten, aber auch vielgeschmähten Ritter von Lang, erkannte den hochedlen Herren von Truhendingen (Hohentrüdingen) die Herrschaft über Gunzenhausen zu. Ritter von Lang betonte, daß die Herren von Truhendingen schon vor den Grafen von Oettingen, die erst 1349 als Besitzer der Stadt bezeugt sind, im 13. Jahrhundert die eigentlichen Herren von Gunzenhausen waren. Nach Lang besaßen die Edlen von Truhendingen die Vogtei über die Güter des Klosters Ellwangen in Gunzenhausen und Umgebung, die dann über Wernhard von Steinsberg nach 1387 an das Oettinger Grafenhaus überging (2).

Dieser älteren Anschauung, die Stadt Gunzenhausen sei im 12. und 13. Jahrhundert eng mit dem edelfreien Geschlecht von Truhendingen verbunden gewesen, trat in den zwanziger Jahren der fränkische Kirchengeschichtler und Heimatforscher Lic. Clauß entgegen. Als Stadtpfarrer von Gunzenhausen lag ihm die Aufhellung des Dunkels der mittelalterlichen Geschichte unserer Kreisstadt besonders am Herzen. In zwei Aufsätzen über die mittelalterliche Geschichte der Stadt und der Pfarrei Gunzenhausen (3) ging Clauß auch auf das Verhältnis der Herren von Truhendingen zur Stadt Gunzenhausen ein und lehnte eine Herrshaft dieses Geschlechtes über Gunzenhausen ab. Ebenso wies er aber auch die Auffassung zurück, daß Gunzenhausen im 13. Jahrhundert oettingischer Besitz gewesen sei. Clauß war vielmehr der Meinung, daß das Kloster Ellwangen im Mittelalter alleiniger Herr über Gunzenhausen war und dort keine andere weltliche oder geistliche Macht irgendwie zu bestimmen hatte. „Die Wahrheit ist“, so schreibt Clauß, „daß die Pfarrei und der Ort Gunzenhausen bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts in ellwangischem Besitz waren. Nahe daran mögen die Truhendinger gewesen sein, Herren von Gunzenhausen zu werden; vor den Toren des Städtchens hatten sie Posten gefaßt und hielten 1309 ihren Vogt zu Gunzenhausen, der seinen befestigten Sitz an der Altmühlbrücke gehabt haben mag, um den Straßenverkehr an dieser wichtigen Stelle zu überwachen und das Geleite auf diesem Verkehrsweg zu schützen“ (4).

Als angeblich überzeugendes Argument führte Clauß schließlich noch an, daß Sebastian Englert, der Verfasser der Regesten der Herren von Truhendingen nicht eine Urkunde gefunden hat, „ aus welcher auf eine Zugehörigkeit Gunzenhausens zu ihrem Besitz geschlossen werden könnte.“ „Damit“, so meint Clauß, „müsse die Annahme, die Edlen von Truhendingen wären im 12. und 13. Jahrhundert Herren der Stadt gewesen, als historischer Irrtum endgültig abgewiesen gelten“. Clauß verwirft eine Herrschaft der Herren von Truhendingen über Gunzenhausen, muß sich aber mit der Tatsache abfinden, daß 1309 ein truhendingischer Vogt zu Gunzenhausen bezeugt ist (5).

Der Umstand, daß der streitbare Graf Friedrich V. von Truhendingen, neben dem Burggrafen von Nürnberg auch Miterbe der Meranischen Güter in Oberfranken, das Patronatsrecht über die Pfarrkirche in Gunzenhausen nicht besaß, sondern es sich in den Jahren 1263 bis 1266 widerrechtlich anzueignen suchte, veranlaßte Clauß auch dazu, eine Herrschaft der Truhendinger über den Ort Gunzenhausen abzulehnen. Aber Patronat über die Pfarrei und Herrschaft über die Stadt sind zwei verschiedene Rechtsbezirke, die nicht unbedingt in einer Hand vereinigt zu sein brauchten. Die Truhendinger konnten längst die Herrschaft über die Stadt Gunzenhausen (Vogtei!) innegehabt haben, ohne das Patronatsrecht dort besitzen zu müssen. In der Frage nach der Entstehung der weltlichen Hoheit und den Wurzeln der Gerichtsbarkeit über Gunzenhausen erhalten wir durch die Aufsätze von Clauß keine befriedigende Klarheit. Eine Trennung von Grundherrschaft und Vogtei, die mehr Licht über die dunkle Wirrnis der mittelalterlichen Geschichte Gunzenhausens verbreiten und das Nebeneinander eines truhendingischen und später oettingischen Vogtes und ellwangischen Grundbesitzes erklären könnte, geht aus den Ausführungen des für Gunzenhausen sehr verdienstvollen Forschers nicht hervor.

Dr. Heinrich Eidam

Dr. Heinrich Eidam

Den Ansichten von Lic. Clauß schloß sich auch der Vorgeschichtsforscher Dr. Eidam in einem Aufsatz über „Burg und Stadtbefestugung Gunzenhausens“ an (6). Auch er vertrat die Meinung: „Gunzenhausen selbst ging die Truhendinger gar nichts an, das gehörte auch später, als die Siedlung Gunzinhusir immer größer und schließlich Stadt geworden, mit Toren und Türmen, Mauern und breitem Graben dem Abt von Ellwangen, so seltsam dies auch den Bürgern der Stadt vorgekommen sein mag“ (7). Dr. Eidam, dessen Stärke die Erforschung der vorgeschichtlichen Bodendenkmale mit dem Spaten war, entdeckte schließlich unmittelbar vor den Mauern der Stadt in der Nähe der heutigen Altmühlbrücke, wo schon seit der Römerzeit eine bedeutende Straße die Altmühl überquerte, Gebäudereste von 11,45m Breite und 22,75m Länge, die er für die im Salbuch von 1532 erwähnte Burg hielt. Da er nun einerseits, dem Gedanken Clauß folgend, eine Herrschaft der Herren von Truhendingen über Gunzenhausen ablehnte, andererseits aber den 1309 bezeugten truhendingischen Vogt zu Gunzenhausen anerkennen mußte, so schloß Dr. Eidam, daß die Edlen von Truhendingen in dieser Burg unmittelbar vor den Toren der Stadt ihrem Vogt unterhielten. Stadt und Burg seien nach seiner Meinung zwei völlig verschiedene Herrschaftsbereiche gewesen: die Stadt unter ellwangischer, die Burg unter truhendingischer Kontrolle. Er faßt seine Ansicht wie folgt zusammen: „Also in Gunzenhausen können die Grafen ihre Urkunden schwerlich ausgefertigt haben, wohl aber in der Burg dicht bei Gunzenhausen, welche die Truhendinger wohl seit uralter Zeit, vielleicht noch von den Nachfolgern Ludwigs des Frommen her zum Schutze der Furt und später der Altmühlbrücke zum erblichen Gebrauch erhalten hatten. Dafür spricht auch die Urkunde von 1309, in der vorkommt: „nach Angabe seines Vogtes zu Gunzenhausen. Selbstverstädlich bewohnten die Grafen nicht selbst ihre Burg, sondern hatten einen Vogt hingesetzt. Sie kamen nur öfter von Hohentrüdingen her, benützten die Burg sicher auch als Absteigequartier und von diesem festen Punkt aus konnten sie auch leicht die Umtriebe (!) in Gunzenhausen durchführen, zuerst wegen des Kirchensatzes, in weiterer Folge, um ganz Gunzenhausen den Äbten von Ellwangen abzujagen (!)“ (8).

Seit dem Erscheinen dieser Aufsätze von Clauß und Dr. Eidam war die lokale Forschung über die mittelalterliche Geschichte Gunzenhausens von der Vorstellung beherrscht, die Herren von Truhendingen hätten zu Gunzenhausen keinerlei Beziehungen gehabt. Man billigte ihnen zwar in unmittelbarer Umgebung und in den Dörfern des mittleren Altmühltales Herrschafts- und Besitzrechte zu, Gunzenhausen selbst sei aber außerhalb ihres Machtbereiches geblieben. Die hohen Verdienste, die sich beide Forscher um die Aufhellung der Vergangenheit Gunzenhausens erwarben, ließen in den folgenden Jahren keinerlei Kritik an dieser Auffassung aufkommen. Man betrachtete wohl die Probleme der mittelalterlichen Geschichte unserer Kreisstadt als gelöst, und da weitere Zeugnisse über eine Zugehörigkeit des Ortes Gunzenhausen zur Herrschaft Truhendingen nicht bekannt waren, blieb man bei der Meinung, Ellwangen sei im 13. Jahrhundert alleiniger Herr über Gunzenhausen gewesen. Lediglich der Gunzenhäuser Heimatforscher Oskar Maurer nahm 1925 in einem Aufsatz „Gunzenhausen, ein ellwangisches Lehen“ nochmals Stellung zu dem Verhältnis der Herren von Truhendingen zur Stadt Gunzenhausen (9). Seine Arbeit bedeutet insofern einen Fortschritt, als er das Kloster Ellwangen nicht mehr als den alleinigen Stadtherrn von Gunzenhausen anerkennt, sondern auch den Grafen von Oettingen Herrschaftsrechte einräumt. Maurer bringt vor allem eine Trennung von Grundherrschaft und Vogtei. Die Grundherrschaft, so meint er Verfasser, gehörte Ellwangen, die Stadtvogtei den Oettingern. Über das Verhältnis der Herren von Truhendigen zur Stadt Gunzenhausen vermag aber auch Maurer keine befriedigende Antwor zu geben. Die Annahme Starks, die vor den Toren der Stadt an der Altmühlbrücke gelegene Burg sei Eigentum der Truhendinger gewesen, lehnt Maurer ab. Er ist - mit Recht - der Überzeugung, daß in einer ellwangischen Stadt ein fremder Schutz- und Schirmvogt Anlaß zu mancher Fehde gegeben hätte. Allerdings gesteht er dann den Herren von Truhendingen „vorübergehend Besitz in Gunzenhausen zu, der durch verwandtschaftliche Beziehungen wieder an die Oettinger zurückgefallen sei“ (10). Angeregt durch die Arbeit von Dr. Otto Hutter: „Das Gebiet der Reichsabtei Ellwangen, Stuttgart 1914“, der auf Seite 33 auch für die bayerischen Besitzungen des Klosters die Oettinger als Vögte annimmt, glaubte Maurer, daß die Riesgrafen „demnach und wahrscheinlich schon vor dem Jahre 1000 die eigentlichen Herren von Gunzenhausen waren“.

Der Streit, ob die Grafen von Oettingen oder die Herren von Truhendingen im hohen Mittelalter die Landesherrschaft über Gunzenhausen ausübten, schien nach dem letzten Krieg endgültig beendet zu sein durch die Doktorarbeit von Karl August Bergler über das markgräfliche Oberamt Gunzenhausen (11). Mit wissenschaftlicher Gründlichkeit wurde hier, aus der Schule von Freiherrn von Guttenberg hervorgehend, der Raum um Gunzenhausen in seiner historischen Entwicklung untersucht. Obwohl sich die Arbeit in erster Linie mit dem späteren markgräflichen Oberamt Gunzenhausen beschäftigt, das ja ein ziemlich großer Verwaltungsbezirk war, so werden in einem besonderen Kapitel „Die Wurzeln des Gerichts Gunzenhausen und die Bildung seiner Grenzen“ (S. 31) auch die früh- und hochmittelalterlichen Verhältnisse in Gunzenhausen selbst mit dem ganzen Gewicht wissenschaftlichen Rüstzeugs dargestellt.

Bergler erblickt in Gunzenhausen zur Karolingerzeit den Mittelpunkt einer königlichen Villikation, die durch die Schenkung Ludwigs des Frommen im Jahre 823 an das Kloster Ellwangen überging. Nach Berglers Darstellung trat nach dem Übergang der „gesamten königklichen Grundherrschaft Gunzenhausen an Ellwangen an die Stelle des königlichen Beamten der Vogt des Klosters als Richter“. Da nun die Grafen von Oettingen seit dem Jahre 1229 als Vögte des Klosters Ellwangen bezeugt sind, so nimmt Bergler an, daß die Oettingen auch mit der Schutzvogtei über die ellwangischen Besitzungen im Raum Gunzenhausen beauftragt waren. “Die Grafen von Oettingen übten somit als Nachfolger der karolingischen und königlichen Judices (Richter) als Vögte des Klosters Ellwangen und nicht zuletzt als Inhaber einer Grafschaft und mit der Hochgerichtsbarkeit privelegierten Herrschaft auch die Hochgerichtsbarkeit in Gunzenhausen aus“, so meint Bergler und vertritt damit die Auffassung, daß schon im 10. und 11. Jahrhundert sich die geschlossene Villikation nicht zuletzt unter dem Zwang und dem rücksichtslosen Vorgehen der Grafen von Oettingen auflöste. Jedenfalls wußten die Oettinger ihren angeblichen Rechtsanspruch auf das Gebiet um Gunzenhausen derart auszudehnen und die ellwangischen Lehensgüter diesem zu entfremden, „daß ellwangischer Besitz auf ein Minimum zusammenschrumpfte“ (Bergler ).

Wappen der Familie Holzschuher

Wappen der Familie Holzschuher

Wir erfahren aber in keiner Urkunde Nachrichten über einen oettingischen Vogt in Gunzenhausen, der so gewaltsam vorgegangen wäre. Das erste Zeugnis oettingischer Rechte in Gunzenhausen stammt erst aus dem Jahren 1343. Dagegen ist bereits im Jahre 1309 ein Vogt des Grafen Ulrich von Truhendingen in Gunzenhausen bezeugt, dem aber in dieser Dissertation keine Beachtung geschenkt wird. Die Quellen, die für eine truhendingische Vogtei in Gunzenhausen sprechen, wurden übergangen. Ebenso wurden die im Handlungsbuch der Holzschuher, einer für die mittelalterliche Geschichte Gunzenhausens noch gänzlich ungenützten Quelle, die Nachrichten über truhendingische Vögte nicht berücksichtigt. Bergler geht wohl von der vorgefaßten Meinung aus, Gunzenhausen müsse im 12. und 13. Jahrhundert unbedingt oettingisch gewesen sein, weil die Grundherrschaft dem Kloster Ellwangen gehörte und die Grafen von Oettingen mit der Vogtei über die Besitzungen des Klosters Ellwangen beauftragt waren. Es fragt sich aber, ob über die ellwangischen Besitzungn an der mittleren Altmühl, die 823 aus Köngshand an das Kloster kamen, nicht andere edelfreie Herren mit der Vogtei in diesem Raume beauftragt waren. An die Möglichkeit einer besonderen Ortsvogtei über die Kirchengüter in und um Gunzenhausen, über die die Oettinger keine Verfügungug hatten, sondern die den Herren von Truhendingen aufgetragen war, wurde in dieser Arbeit nicht gedacht. So blieb die Frage, ob Gunzenhausen im hohen Mittelalter truhendingisch oder oettingisch war, bis in die Gegenwart unbeantwortet.

Wenn in diesem Aufsatz noch einmal zu dem Verhältnis der Herren von Truhendingen zu Gunzenhausen Stellung genommen wird, so geschieht dies nicht aus dem Bedürfnis heraus, „die alten Steine umzudrehen und nachzusehen, ob sich darunter inzwischen nicht etwa neue Käfer verborgen halten“ (Dannenbauer), sondern aus der Überzeugung, daß damit der historischen Wahrheit über die mittelalterliche Geschichte Gunzenhausens ein Dienst erwiesen wird. Mit der Schenkung des monasterium Gunzenhausen durch Ludwig den Frommen im Jahre 823 gelangte das Kloster Ellwangen in den Besitz von mehr oder minder zerstreuten Gütern im Raum um Gunzenhausen. Die im Staatsarchiv Stuttgart aufbewahrte Urkunde spricht zwar nur von einem monasterium = Kloster Gunzenhausen, doch war um diese Zeit eine genaue Aufschlüsselung des geschenkten Besitzes noch nicht üblich. Wir dürfen aber mit Sicherheit annehmen, daß damit auch eine Reihe von Höfen und bäuerlichen Hintersassen des königlichen Eigenklosters Gunzenhausen an Ellwangen überging. Zweifellos mußten in der ersten Ausstattung des Klosters Gunzenhausen außer dem Baugrund für die Kirche und die Klostergebäude schon Grund und Boden für einen Wirtschaftsbetrieb eingeschlossen sein, mit einem Haupt- und mehreren Nebenhöfen, auf denen Unfreie verschiedener Abstufungen arbeiteten, um das Herrenleben der adeligen Mönche sicherzustellen. Denn das Kloster Gunzenhausen war wie viele im 8. Jahrhundert auf ostfränkischen Boden gegründete Klöster (Herrieden, Ellwangen, Ansbach) karolingisches Reichskloster gewesen. Karl Bosl aber charakterisiert die Klostergründungen in dem weiten fränkischen Waldgebiet als „Zentren geistiger Kultur und geistlicher Bildung“. Er wertet sie als „Ausgangspunkte der Mission in der Frühzeit und Stätten der Seelsorge“. Sie waren aber auch „ Hüter und Zentren karolingischer Familien- und Herrschaftstradition, Schenkungszentren des Provinzial- und Reichsadels, Versorgungsstätten von Söhnen und vor allen von Töchten, Altersasyl für tätige Männer im Dienste des Reiches, Grablegen der Adelsfamilien, religiöse Bewahrer adeliger Familientratidion“ (12).

Man wid wohl nicht fehlgehen, wenn man die Gründung des Klosters Gunzenhausen, die freilich schon in den Anfängen steckenblieb, einem Mitglied einer hochadelig-fränkischen Grundbesitzerfamilie zuschreibt, die im Zuge der ostfränkischen Kolonisation und im Auftrag des Königs hohe Staatsaufgaben zu erfüllen hatte und deshalb mit reichem Grundbesitz ausgestattet war. Ja, es ist vielleicht nicht zu weit gegangen, wenn man den für Gunzenhausen namengebenden Gunzo selbst als den eigenetlichen Gründer des Klosters Gunzenhausen anspricht, denn aufgrund der Namenvariation in Verbindung mit dem Ortsnamen läßt sich vermuten, daß Gunzo tatsächlich Angehöriger einer aristokratischen Sippe war, die in einem weiten Gebiet mit Grundbesitz ausgestattet wurde. Mitgleder dieses fränkischen Adelskreises können auch in unserer engeren Heimat erfaß werden (13).

Ferner hat man erkannt, daß im Zuge der politischen und strategischen Maßnahmen, die Karl der Große zur Eroberung Bayerns einleitete, die Klöster Herrieden und Gunzenhausen, die ja an bedeutenden Heerstraßen lagen, in Königshand überführrt und als Etappenstationen in dem großen fränkischen Keuperwaldgebiet benützt wurden (14). Nach Abschluß der kriegerischen Unternehmungen gegen Bayern und gegen die Awaren verloren diese Klöster ihre strategische Bedeutung. Das monasterium Gunzenhausen wurde im Jahre 823 von Ludwig dem Frommen an das Reichskloster Ellwangen vergeben, Ellwangen wurde damit Eigenkirchenherr über das offenbar nicht einmal so kleine Kloster Gunzenhausen. Um eine eigenständige Entwicklung des Klosters Gunzenhausen zu verhindern, löste Ellwangen wohl sehr frühe das mönchische Leben dort auf, das womöglich an gar keine feste Regel gebunden war. Damit verschwand rasch die in ihren Anfängen so hoffnungsvoll am Südrand eines großen Waldgebietes geplante Klostergründung Gunzenhausen. Jedenfalls hören wir in den folgenden Jahren nichts mehr von einem monastischen Leben in Gunzenhausen. Was aber die Jahrhunderte überdauerte und im hohen und ausgehenden Mittelalter auch wieder in den Quellen faßbar wird, das war die alte wirtschaftliche Ausstattung des alten karolingischen Klosters Gunzenhausen. Erhalten blieben die zahlreichen zu Erbzinsleihe ausgegebenen Güter in Gunzenhausen, Laubenzedel, Schlungenhof, Unterwurmbach, Oberwurmbach, Oberasbach, Obenbrunn, Unterasbach, Edersfeld, Frickenfelden und Gundelshalm, die im späten Mittelalter noch deutlich den Streucharakter der alten Villikation des Stiftungsgutes widerspiegeln (15).

Für unsere Frage, ob nun im hohen Mittelalter die Grafen von Oettingen oder die Herren von Truhendingen die Herrschaft in Gunzenhausen innehatten, ist die zerstreute Masse ellwangischer Güter, wie sie uns in den Lehenbüchern der Pröpste entgegentritt, von untergeordneter Bedeutung. Wir müssen vielmehr die Frage zu beantworten suchen: Wem oblag im 12. und 13. Jahrhundert die Handhabung der Gerichtsgewalt auf diesen ellwangischen Gütern an der Altmühl? Die geistlichen Grundherrschaften waren im Mittelalter gezwungen, ihre Grundholden vor Gericht durch weltliche Richter vertreten zu lassen (Vogtzwang). Der Träger der öffentlichen Rechte, der Wahrer des Kirchenfriedens und des Kirchenschutzes war der Vogt. Er übte die Gerichtsgewalt auf den Kirchengütern zum Schutze der Kirche aus. Die ellwangischen Besitzungen um Gunzenhausen waren, da sie ja aus Königshand stammten, Immunitätsgüter. Dem Grafen oder öffentlichen Richter wurde die Ausübung der Amtsrechte auf diesem kirchlichen Grund und Boden versagt. Aber was dem Grafen verboten wurde, sollte einer Persönlichkeit übertragen werden, die vielleicht das Kloster selbst wählen konnte oder die der König bestimmte. Die Vogtei über die Güter an der mittleren Altmühl konnte also als Lehen vergeben werden. Im 14. Jahrhundert besaß Ellwangen das Oberlehensrecht über die Schutzvogtei in Gunzenhausen. Ob das auch schon im hohen Mittelalter der Fall war, ist nicht bekannt. Das Hauptargument für die Befürworter einer oettingischen Herrschaft über Gunzenhausen im 12. Jahrhundert lieferte von jeher der Umstand, daß die Grafen von Oettingen seit dem Jahre 1229 als Vögte des Klosters Ellwangen bezeugt sind. Bergler läßt die Grafen sogar als Nachfolger der königlichen Richter kontinuierlich die Vogtei über die ellwangischen Besitzungen um Gunzenhausen bis ins 14. Jahrhundert ausüben. Er geht dabei wohl von der Annahme aus, als wären die Oettinger die einzigen Vögte des Klosters gewesen und als hätten sie eine einheitliche Vogtei über die gesamte ellwangische Grundherrschaft aufgebaut. Nun läßt sich aber an Hand vieler Beispiele überzeugend nachweisen, daß die zahlreichen, oft weitab gelegenen Streugüter der geistlichen Grundherrschaften von benachbarten ortsnahen Burgen bevogtet wurden. Entsprechend den weit verteilten, oft in keinem räumlichen Zusammenhang stehenden Immunitätsgütern ergab sich auch häufig eine Mehrzahl einzelner Vogteien. Für Ellwangen lag es nahe, für ihre Grundherrschaft an der mittleren Altmühl einen anderen weltlichen Edelherrn zu wählen, schon allein deswegen, um hier ein Gegengewicht gegen die übermächtigen Grafen von Oettingen zu schaffen. Ähnlich war es ja auch mit den ellwangischen Besitzungen in Möhren bei Treuchtlingen. Auch sie wurden nicht von den Oettingern, sondern von den Truhendingern bevogtet (16).

In dem bisheigen Schrifttum über die Geschichte der Stadt Gunzenhausen galt nun die beinahe zum Dogma erstarrte Anschauung, daß die Grafen von Oettingen die weltliche Schutzherrschaft über das Kloster und die spätere Stadt unverändert bis in das 14. Jahrhundert ausgeübt hätten. Erstaunt muß man nun allerdings die Frage stellen: Warum tritt dann vom 11. bis zum 14. Jahrhundert niemals in einer Urkunde ein oettingischer Vogt als Zeuge eines Rechtsgeschäftes auf? Warum wird uns während des 12. und 13. Jahrhunderts, in denen doch die Quellen über die Geschichte Gunzenhausens reicher fließen als vorher, mit keinem Wort von oettingischen Rechten in der Altmühlstadt berichtet? Völliges urkundliches Dunkel liegt über dieser so angeblich selbstverständlichen Herrschaft der Grafen von Oettingen über Gunzenhausen. Den Befürwortern oettingischer Rechte in Gunzenhausen in der Zeit der Salier und der Staufer erschien dieses merkwüdige Schweigen nur eine Bestätigung ihrer These zu ein: Weil vom 11. bis zum 14. Jahrhundert in keiner Urkunde von den Oettingern die Rede ist, darum fühlte man sich in der Meinung bestärkt, daß die Oettinger als Nachfolger der königlichen Richter konstant die Vogtei über die ellwangischen Besitzungen ausübten und zwar vom 10. Jahrhundert bis zum Übergang der Stadt an Burkhard von Seckendorf im Jahre 1349. Und dabei durften die Truhendinger ungestört von den Oettingern 1263 einen unberechtigten Anspuch auf den Kirchensatz erheben, der ihrem Schützling Ellwangen gehörte, durften ihren Notar Wernhard als Pfarrer von Guzenhausen einsetzen und ihre Urkunden in Gunzenhausen ausfertigen. Es scheint, daß hier etwas nicht in Ordnung ist und die Quellen mißachtet wurden. Hier wurde lediglich durch Rückschlüsse aus der Entwicklung des 14. Jahrhunderts eine oettingische Herrschaft über Gunzenhausen konstruiert, die im 12. und 13. Jahrhundert nicht vorhanden war. Aber die Urkunden des 13. und frühen 14. Jahrhunderts sprechen nicht von oettingischen, sondern von truhendingischen Vögten in Gunzenhausen.

Anmerkungen

  1. Georg v. Below, Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, Jena 1937, S.1.
  2. Adolf Bayer, Brügels Onoldia, Ansbach 1955, S.37.
  3. Alt-Gunzenhausen, Heft 2, S.3-22, und Heft 7, S. 18-33
  4. Alt-Gunzenhausen Heft 2, S.11.
  5. Dr. Sebastian Englert, Gesch. der Grafen v. Truhendingen, Würzburg 1885 Reg. Nr.278 und Beilage I S.117.
  6. Alt-Gunzenhausen Heft 2, S.45-67.
  7. Ebenda, S.51.
  8. Ebenda, S.51/52.
  9. Alt-Gunzenhausen Heft 5, S.13-23.
  10. Ebenda S.19.
  11. Dr. Karl August Bergler, Das markgräfliche Oberamt Gunzenhausen, Erlangen 1950 (Maschinenschrift).
  12. Karl Bosl, Franken um 800, S.74, München 1959.
  13. Man denke hier an den Namenteil Gun-, der nicht allein im Ortsnamen Gunzenhausen, sondern auch in dem Namen Gundelsheim an der Altmühl (1030 Gundolvesheim), Gundelsheim, Landkreis Donauwörth, Gündersbach, Landkreis Weißenburg, Gungoldding b. Eichstätt (985: Gundoltingen), Gundelfingen (1204: Gundelfingen), vielleicht auch Gundelshalm bei Gunzenhausen verborgen liegt. Guntbert, der Begründer des Ansbacher Klosters, zählte zur fränkischen Reichsaristokratie. Die vielen Zusammensetzungen mit dem Namenteil -olt lassen auch Verwandtschaft mit der -holt Sippe um die Altmühl vermuten (Bosl, Franken um 800 S.43).
  14. Margareta Adamski: Herrieden, Kloster, Stift und Stadt im Mittelalter, Kallmünz 1954, S.14-23.
  15. Dr. Karl August Bergler, Das markgräfliche Oberamt Gunzenhausen, S.31.
  16. Frdl. Mitteilung von Dr. Kraft, Pappenheim.