Kunstgeschichte

Die Gotik (1150 - 1500)

 
Die Baukunst

 

Portal mit Bogenfeld (Tympanon)

Man könnte die Gotik auch als Weiterentwicklung der Romanik bezeichnen. Doch die Verwendung des Spitzbogens als architektonisches Element erlaubte ganz andere Aussagen im Baustil. Der geknickte Bogen ist dem Rundbogen statisch weit überlegen (Statik = die Lehre von Ausgleich der im Bauwerk wirkenden Kräfte). Durch das System von Strebepfeilern war es möglich, die massiven Mauern der Romanik in einer skelettartigen Konstruktion aus hochstrebenden Ziergliedern aufzulösen. Die daraus resultierende Betonung des Senkrechten und die somit erreichte Lichtfülle des gotischen Kirchenraumes erlaubten den Ausdruck der mystischen Ideen des Christentums. Das Kirchengebäude wurde zum Abbild des himmlischen Jerusalems, das Johannes in seiner Apokalypse beschreibt, jener “Stadt aus Glas und Edelsteinen“.

Die Hochschiffwand

Die Schubkraft des Deckengewölbes wird auf die Dienste übertragen. Dienste sind der Wand oder dem Pfeilerkern vorgeblendete Halbsäulen, die bis zum Boden reichen. Am Verlauf der gebündelten Dienste, die an der Decke in die Rippen, die das Gewölbe tragen, übergehen, lässt sich der Kräfteverlauf des gotischen Gebäudes ablesen. Die Arkaden (Bogenreihen) trennen mit ihren Pfeilern das Mittelschiff von den Seitenschiffen. Darüber befindet sich das Triforium, ein schmaler Laufsteg hinter einer kleinen Arkadenreihe. Über dem Triforium liegt das Fenstergeschoß (Obergaden). Die Bogenfelder der Fenster schmückt das Maßwerk ( mit dem Zirkel konstruierte Verzierungen).


Hochschiffwand
 

Die Portale an den Fassaden wurden mit lebensgroßen Steinfiguren geschmückt. Im Bogenfeld (Tympanon) über den Türen stellte man eine Bibelszene dar. Über den Portalgiebeln befindet sich das Rosengeschoß mit der Fensterrosette aus Maßwerk und farbigem Glas. Zusammen mit den Glasmalereien der Fenster taucht sie das Kircheninnere in ein überirdisches Licht, so dass der Eindruck, die Kirche sei eine Himmelsburg, entsteht.

Die Bauhütte

In der Nähe der Baustelle wurde vor Baubeginn aus Holz eine Barrackenstadt errichtet, in der die am Bau beteiligten Steinmetzen und Bildhauer ihre Arbeit unter Aufsicht des Hüttenmeisters verrichteten. Er war der Architekt des Baues, der seine Ideen in Werkbüchern verzeichnete. Sein Vertreter, der Parlier, überwachte die praktischen Arbeiten. Wenn ein Steinmetz einen Stein vollendet hatte, schlug er ihm sein Steinmetzzeichen ein. 800 Arbeitsstunden für einen einzigen Schmuckstein waren keine Seltenheit.
Die Bauhütte wanderte von Baustelle zu Baustelle. Ihre Tradition hat sich bis heute in den Dombauhütten erhalten (z.B. St. Georgs-Bauhütte in Nördlingen).

 
 
Grundriss einer Kathedrale
 
 
Die Bildhauerei

 

Wie alle Kunst des Mittelalters stand auch die Bildhauerei der Gotik im Dienst der christlichen Heilsverkündung. Während die blockhafte romanische Skulptur noch mit der Wand, an der sie stand, verbunden war, löst sich die gotische Figur und steht einzeln. Starke Ausbildung der Gewandfalten lassen den anatomisch gestalteten Körper darunter erahnen (gotische Gewandfigur). Ein S-förmiger Schwung im Körper und eine weiche Zeichnung des Gesichtes kennzeichnen den Typus der “Schönen Madonna”.


Neben den Heiligenfiguren werden zunehmend Andachtsbilder geschaffen:
Pieta: (Madonna mit Christusleichnam auf dem Schoß)
Christus - Johannes - Gruppen
Christus - Apostel - Gruppen
Anna Selbdritt ( Anna mit Tochter Maria und Enkel Jesus)

Es entstehen große Schnitzaltäre, deren Figuren miteinander zu sprechen scheinen und deren Gedanken und Gefühle ablesbar sind. Holzskulpturen sollen so lebenstreu wie möglich sein und werden deshalb bemalt (gefaßt).
Zu den dedeutensten spätgotischen Bildhauern zählen die Nürnberger Veit Stoß, Adam Kraft und Peter Vischer, sowie der Würzburger Tilmann Riemenschneider.

 
 
Malerei

     

Die Glasmalerei erlebt in der Gotik eine ungeahnte Blüte. Sie war am besten geeignet, die Pracht des Himmels in den Kathedralen zu verdeutlichen. Die Freskomalerei leistete auch in der Gotik ihre Aufgabe als Biblia Pauperum genauso wie die großformatigen Wandteppiche und Tapisserien.
 
Die prachtvollen Miniaturen der Buchmalereien schmückten neben den Bibeln auch Gebetbücher und weltliche Handschriften.
 
In der Tafelmalerei, der Malerei auf beweglichen Bilduntergründen, löst die Ölfarbe die Tempera (Eigelb + Pigment + Harz) allmählich ab. Der Blattgoldhintergrund wird durch die wirklichkeitsgetreue Gestaltung (Landschaft, Innenraum) ersetzt. Besonders in der niederländischen Malerei wird die Farbenluftperspektive angewandt:

    Vorne im Bildraum erscheinen reine, warme und kontrastreiche Farben, im hinteren Bildraum verwendet man getrübte, kalte und kontrastschwache Farben.

 

Die Maler der Gotik versuchten das zu malen, was sie sahen. Sie wollten eine räumliche Darstellung schaffen. Trotzdem wurden untergeordnete Figuren im Bild übertrieben klein dargestellt und oft - besonders im Motiv der Verkündigung Mariae - Spruchbänder eingefügt. Perspektivische Konstruktion beherrschten sie noch nicht.
Obwohl noch immer christliche Themen überwiegen (Flügelaltäre), stellten die Maler in der Zeit des höfischen Lebens und des entstehenden Bürgertums auch weltliche Szenen (Jagd, Turnier, Minnegesang) dar.
 
Bedeutende Maler der Gotik:
Italien: Giotto, Simone Martini, Duccio
Niederlande: Hubert und Jan van Eyck, Rogier van der Weyden
Deutschland: Stefan Lochner, Martin Schongauer (Donauschule)

 
 


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