Die Gelbe Bürg

in fränkischer Zeit

Kurzenaltheim, der zur Burg gehörige Edelsitz

Kurzenaltheim

Kurzenaltheim mit der zum Gelben Berg aufsteigenden bewaldeten Anhöhe "Kent"

Von Sammeln - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=39123857

Zu jeder Burg gehört ein Herr. Im hohen Mittelalter wohnte er ständig auf seiner Burg. Ein besonders vornehmes Gebäude, der Pallas, war zum ständigen Bewohnen durch eine adelige Familie eingerichtet. In fränkischer Zeit hauste der Herr am Fuße der Burg auf seinem Gutshof. Altheim, heute Kurzenaltheim genannt, darf wohl mit Recht als der zur Burg gehörige Edelsitz gelten. War seine Lage zur Burg gut gewählt? Wer von der Burg herabblickt, der erwartet wohl, den Herrensitz drunten in Sammenheim oder Dittenheim und nicht in jener versteckten Talbucht in Kurzenaltheim zu finden. Doch der Name Altheim im Sinne von "altes Haus" spricht für die Lage des zur Burg gehörigen Gutshofes an der Stelle, wo heute der Ort Kurzenaltheim steht.

Wenn das Grundwort "-heim" ursprünglich "Haus, Einzelgehöft" bedeutete, so darf uns das nicht irreführen. Hier ist an das adelige Einzelgehöft, an den Herrenhof gedacht. Dieser war Mittelpunkt eines Wirtschaftsbetriebes mit Eigenbau. Um den Gutshof herum lagen die Wirtschaftsgebäude, die Scheunen und Ställe und die Wohnungen der Bauknechte mit ihren Familien, die ständig auf dem Hofe arbeiteten. Die Lage für den Edelsitz war gut gewählt. Ein langgestreckter Höhenrücken, Kent genannt, der von der Gelben Bürg nach Osten zieht, schirmte den Edelsitz gegen die rauhen Nordwinde ab. Eine breite, windgeschützte Talbucht, rings von bewaldeten Höhen umschlossen und nur zur Altmühl hin offen, ermöglichte ergiebige Wärmeentwicklung und damit rasches Wachstum der Feldfrüchte. Fruchtbares Schwarzjuraland breitet sich rings um den Bauhof aus. Die flachen Gleithänge ermöglichten Ackerbau und Weidewirtschaft. Die steilen Außenfelder waren von Wald bewachsen, der das Brenn- und Zäunholz lieferte und in dessen Revier die Schweine im Herbst zur Eichelmast getrieben werden konnten. Ein Bächlein sorgte für Wasser zur Viehtränke. Dieser zur Gelben Bürg gehörige Edelsitz war die Urzelle des heutigen Dorfes Kurzenaltheim, das im Mittelalter ständig zur Probstei Solnhofen gehörte.

Die heutige Schreibweise Kurzenaltheim ist wohl den Schreibern der Solnhofer Pröbste zuzurechnen, denn sie hatten in ihren Güterverzeichnissen das Altheim in der Gelben Bürg von Langenaltheim bei Pappenheim zu unterscheiden. In beiden Orten war das Kloster Solnhofen begütert. Bei der Orientierung der beiden Orte richteten sich die Solnhofer Pröbste nach dem Lauf der Altmühl. Solnhofen liegt altmühlabwärts. Von dort aus erfolgte die Benennung. Das am weitesten altmühlaufwärts gelegene Altheim an der Gelben Bürg wurde Ober-Altheim benannt, das nähergelegene nach seiner langgestreckten Form Langenaltheim. Als Obern-Altheim und Langen-Altheim erschienen die beiden Orte in dem Solnhofer Salbuch vom Jahre 1423 (1). Von 15. Jahrhundert ab setzte sich allmählich die moderne Form Kurzenaltheim durch (2). Daneben laufen aber noch in den Heidenheimer Quellen die Formen Altheim und Oberaltheim weiter. Der Volksmund hält noch heute an Altheim fest (mundartlich Olta).

Codex Eberhardi

Beispielblatt aus dem Codex Eberhardi um 1150

Die Solnhofer Pröbste waren aber schon früh gezwungen, ihre beiden Altheim, in denen das Kloster begütert war, auseinanderzuhalten. Die Probstei Solnhofen war ein Oberhof des Klosters Fulda. Ein Fuldaer Mönch namens Eberhard hat um 1150 ein Güterverzeichnis des Klosters Fulda zusammengestellt und dabei ältere Cartulare des 9. Jahrhunderts benutzt. Durch seine stark nivellierende Arbeitsweise hat Eberhard allerdings die wertvollen Einträge der alten Cartulare zu Kurzformeln zusammengepreßt, so daß wir hier nur eine Überlieferung von sehr bedingtem Wert haben (3).

Immerhin sind die Summarien Eberhards insofern für uns eine wichtige Quelle, als wir dadurch erfahren, daß das Kloster Fulda schon im 9. Jahrhundert in dem Freiland um den Hahnenkamm begütert war. Sualo, der Gründer des Klosters Solnhofen, übergab kurz vor seinem Tode (3. Dez. 794) seinen ganzen Besitz an Fulda, das dort nur Pröbste einsetzte. Der Besitz des Klosters Fulda um den Hahnenkamm war dem Oberhof in Solnhofen unterstellt und in 20 territoria = Fron- oder Salhöfen im Villikationsverband organisiert. Von Solnhofen aus erfolgte also die Benennung der einzelnen Fronhöfe.

Nun erscheint unter den Gütern des Klosters Fulda, die dem Oberhof in Solnhofen unterstehen, um 800 ein Altheim superiorem territorium und ein Altheim villam inferiorem (4). Das lateinische Wort superior bedeutet "weiter oben befindlich", inferior dagegen "tiefer, niedriger gelegen". Man hat diesen Eintrag auf Hohen- und Niederaltheim im Ries südlich Nördlingen bezogen, wo am 20. September 916 in der St.- Johannis - Kirche die Synode zusammentrat. Man kann mit größerer Sicherheit für Altheim superiorem territorium unser Kurzenaltheim am Fuße der Gelben Bürg in Anspruch nehmen, wenn man vom Oberhof Solnhofen altmühlaufwärts sich bewegt. Das oben befindliche (superiorem) Altheim ist Oberaltheim oder wie es später heißt: Kurzenaltheim; das weiter unten befindliche (inferiorem) ist das spätere Langenaltheim.

Die Annahme, das bei Eberhard genannte Altheim superiorem territorium sei unser Kurzenaltheim, wird wohl kaum ernsthaft widerlegt werden können. Man hat bisher dem Umstand keine Beachtung geschenkt, daß fast der gesamte Ort im ausgehenden Mittelalter geschlossenes Grundeigentum von Solnhofen war. Das Salbuch von 1423 stellt ausdrücklich fest:

Lediglich in einer Hofstatt hat um 1430 das markgräfliche Kastenamt Hohentrüdingen die Vogtei (6). Noch 1713 sind es 33 Solnhofische Untertanen in Kurzenaltheim, die zum Kastenamt Hohentrüdingen gezogen werden (7). Nur ein Söldengut zinst um 1730 zum Kastenamt Hohentrüdingen und eines zum Verwalteramt Berolzheim. Angesichts dieser geschlossenen Grundherrschaft, die sich im späteren Mittelalter in Kurzenaltheim vorfindet, wird der Rückschluß erlaubt sein, daß die Höfe und Liegenschaften der 33 Solnhofischen Untertanen aus dem alten fränkischen Herrenhof hervorgegangen sind, der schon sehr früh entweder an die Gründung Solas oder an Fulda verschenkt wurde. Eberhard spricht hier vom territorium Altheim. Diesen Begriff territorium dürfen wir nicht im modernen Sinn auslegen und darunter etwa ein Gebiet, ein Land oder ein Staatsgebiet verstehen. Die mittelalterliche Welt kannte keine Herrschaft über eine Fläche wie der moderne Staat. Wir kommen dem Begriff territorium aber näher, wenn wir ihn in seiner Bedeutung von Grund und Boden erfassen. In diesem Sinne gebraucht ihn auch Eberhard. Territorium ist für ihn der Grund und Boden um Altheim, der dem Kloster Fulda gehörte und dem Oberhof Solnhofen unterstellt war. Dieser Grund und Boden wird nach der mittelalterlichen Villikationsverfassung bewirtschaftet. Territorium Altheim ist also der Fronhof Altheim. Der gesamte Eintrag lautet:

Diese knappe Notiz ist eine wertvolle Quelle für die Bewirtschaftung des Fuldischen Besitzes um 800 in Kurzenaltheim. Wir versuchen, diese Formel zu enträtseln. Da ist zunächst einmal die Rede von Territorium I. Darunter haben wir also den Fronhof zu verstehen. Das althochdeutsche Wort fro bedeutet Herr (frono = dem Herrn gehörig) (9). Der Fronhof ist also der Herrenhof. Unter dem Herrn ist hier natürlich der geistliche Grundherr, das Kloster Fulda zu verstehen.

Dann ist die Rede von 20 familiae. Hier handelt es sich um die am Hofe als Knechte und Mägde arbeitende unfreie Dienerschaft, die familienweise in den kleinen Hofstätten um den Fronhof saß, selber aber keinen eigenen Hof bewirtschaftete. Wir würden sie heute als Taglöhner oder Landarbeiter bezeichnen. Ihre Arbeitskraft stand dem Fronhof voll zur Verfügung. Schließlich erfahren wir noch etwas über die Größe dieses Herrenhofes um 800. Diese betrug 120 Joch Ackerland (iugera) und Wiesen (prata) mit dem Heuwert von 20 Fuhren (carradas). Soweit die Bewirtschaftung des Herrenhofes. Was aber sollen die 20 Huben? Diese Notiz des Güterverzeichnisses läßt uns eine klare Ordnung erkennen. Ein Teil des grundherrlich solnhofischen Besitzes wurde im Eigenbau bewirtschaftet, der andere Teil war zur selbständigen Bewirtschaftung an 20 Hufenbauern ausgegeben, von denen das Kloster Lieferungen bezog. Der gesamte Grund und Boden von Kurzenaltheim war also zerlegt in einen selbstbewirtschafteten Teil (Fronhof) und einen gegen Leistungen von Abgaben und Diensten ausgetanen Teil (Huben). Es war also eine Ordnung nach Haupt- und Nebenhöfen. Der Fronhof wurde von einem Unfreien, dem Meier oder Villikus bebaut. Als Arbeitskräfte standen ihm für das umfangreiche Salland die 20 familiae ständig zur Verfügung. Sie erhielten den Lohn für ihre Arbeit aus dem Fronhof. Sie besorgten die Pflug- und Erntearbeiten und im Winter das Dreschen am grundherrlichen Fronhof.

Demgegenüber wirtschafteten die Hufenbauern selbständig. Ihr Land ist kleiner. Sie sind, modern ausgedrückt, der bäuerliche Familienbetrieb. Sie sind spannfähige Höfe. Ob sie zu Fuhrleistungen auf dem Herrenhof verpflichtet waren, erfahren wir nicht. So begegnet uns um 800 der solnhofische Besitz in der Ordnung eines Haupthofes und mehrerer Nebenhöfe. Diese Ordnung, Villikation genannt, hat wohl erst das Kloster für seine Güterverwaltung geschaffen. Zur Merowingerzeit dürfen wir annehmen, daß der gesamte Grund und Boden von Kurzenaltheim einem Herrenhof zugewiesen und im Eigenbau bewirtschaftet worden war. Der Grund und Boden der Hufenbauern ist sicherlich aus dem Land des einstigen viel umfangreicheren Herrenhofes genommen worden. Dieser Hof war wohl ein königlicher Herrenhof, der als Amtssitz dem Kommandanten der Burg, einem vornehmen fränkischen Herren, zugewiesen war. Dieser zur Burg gehörige Edelhof wurde ursprünglich wohl im Eigenbau bewirtschaftet. Das Land war noch nicht an schollegebundene Hufenbauern ausgegeben. Der umfangreiche Großhof muß schon vor 800 an das Kloster Fulda oder an Solas Klostergründung geschenkt worden sein. Das Kloster gab einen Teil des Landes an selbständig wirtschaftende Hufenbauern aus, den anderen Teil bewirtschaftete es im Eigenbau.

Anmerkungen

  1. St. A. Nbg. Rep. 122, Nr. 97, fol. 6
  2. Mon. Boica N. F. I. Bd. , fol 28a; Kurtzen - Altheym
  3. Erika Kunz, Die Fuldaer Traditionen in Ostfranken als sippenkundliche Quellen der Karolingerzeit in Jahrb. f. fr. Landesf. 8/9, S. 223 - 254
  4. Dronke, T. A. F. S. 125/126 und Karl Bosl, Franken um 800, S. 105
  5. St. A. Nbg., Rep. 122, Nr. 97, fol. 26
  6. Mon. Boica N. F. I. Bd., fol. 28a
  7. St. A. Nbg., Rep. 120, S. 346
  8. Dronke T. A. F., S. 125/126
  9. Walter Schlesinger, Herrschaft und Gefolgschaft in der germanisch - deutschen Verfassungsgeschichte in Herrschaft und Staat im Mittelalter, Darmstadt 1956, S. 136/137