Die Edlen von Truhendingen

Die Burg Hohentrüdingen

als Herrschaftszentrum

Hohentrüdingens Geschichte im Spiegel der Flurnamen

Das Bild das wir über die Entstehung des Herrschaftszentrums Hohentrüdingen bisher gewinnen konnten, wird noch um einen Farbton reicher, wenn die Flurnamen zu Rate gezogen und deren Aussagewert in Bezug auf die Geschichte des Ortes überprüft werden. Wer nur nach dem Ortsnamen geht und ihn allein als Zeugnis der Siedlungsgeschichte anführt, der wird in der Meinung bestärkt, der Ort sei eine alte Gründung, befindet er sich doch in der Gesellschaft mit anderen alten "-ingen"-Orten wie Hechlingen, Hüssingen, Polsingen, Oettingen und Lehmingen. Vom Ortsnamen her gesehen könnte Hohentrüdingen zu den Ursiedlungen dieser Landschaft gerechnet werden. Doch der Ortsname trügt in diesem Fall, es müssen die geographischen Bedingungen, das bergige Gelände, die Lage des Ortes am Rand seiner Gemarkung, die Ungunst des Bodens und der Wasserversorgung, die Struktur der Grundherrschaft, die geschichtliche Entwicklung der Herrschaft Truhendingen und nicht zuletzt die Flurnamen auf ihren Aussagewert hin durchgegangen werden.

Lassen sich viele Namen feststellen, die an heutigen Feldern und Wiesen haften und an ehemaligen Wald erinnern, und zwar nicht nur in steiler Hanglage, sondern auch auf ebenem Grund, so ist anzunehmen, daß in früheren Zeiten einmal das Acker- und Wiesenland der Gemarkung aus einem geschlossenen Waldgebiet herausgerodet wurde. Da heißen noch heute in Ortsnähe Äcker und Wiesen "im Vorderloh". Etwas weiter draußen gegen den Kreuthof zu liegt das "kalte Loh". Das mittelhochdeutsche Wort lo (mundartlich lou) ist verwandt mit dem lateinischen lucus und läßt sich deuten als Gehölz mit lichten Stellen und Graswuchs. Als ursprünglich offener, lichter Wald dient das Loh teilweise der Weide, natürlich auch der Jagd. Der kalte Loh wird wohl nicht nur wegen seiner Lage am Nordhang so benannt worden sein, sondern kalt bedeutet hier auch schweren, unergiebigen Boden. Der Waldname Loh erscheint oft in der Form Loch und gibt dann Ursache zur Vermischung mit Loch im Sinn von Höhle, Bodenvertiefung. 1329 wird der "Maetzzenloch bi der Rormul" (heute Balsenmühle) und ein "Loch ob dem Sauerbrunne" (heute Kapitelholz beim Safferbrunnen) genannt.

Die Rotbuche beherrschte einst das Waldbild im Hahnenkamm; Nadelwald war nur selten darin eingestreut. Für ganze Waldbestände findet sich deshalb in Hohentrüdingen der Sammelname "das Buch", "im Buch", "Hagenbuch" (nach Hainbuchen). 1329 heißt es: "Puch daz Puchlehen; ain Loch ob dem Sauerbrunne".

Blick nach Süden

Blick nach Süden

vom Hohentrüdinger Turm über den südlichen Hahnenkamm

Folgende Hölzer gehörten 1329 zur Burg Hohentrüdingen:

Alle diese Wälder lagen innerhalb der Gemarkung Hohentrüdingen oder grenzten an sie an; sie sind zum Teil noch heute Wald, andere in Ackerland verwandelt und leben in Flurnamen noch fort. Die Buchwiesen und die Buchäcker, das Erlein und das Erlach, Eichelein und Espelein, Eichach und Hölzlein, alle diese Namen erzählen von verschwundenen Waldstücken. Ein Flurname unterhalb der Burg, der an einen großen Bereich gebunden ist, liegt im "Hag" vor. Er bedeutet Dornbusch, Gesträuch und ist wohl als Sammelname zu verstehen. Die Steilhänge des Burgbereiches wurden beim Bau der Burg abgeholzt. Die gefällten Stämme konnten als Bauholz für den Palas, als Palisaden und Brennholz und in der Bäckerei Verwendung finden. Auf den Schlägen wurde nun das Vieh geweidet. Die Tiere fraßen die jungen Triebe ab. Infolge der ständigen Beweidung konnten keine Laubbäume mehr hochkommen. Nur die bewehrten Strauchgewächse wie Schwarzdorn, Weißdorn, Heckenrose, Brombeeren und Himbeeren und mit Giftstoffen ausgestattete Sträucher und Stauden vermochten sich gegen den ständigen Tierfraß zu behaupten. So füllten sich die Nordhänge des Burggeländes, "die Leite" und "der Kühbuck" genannt, mit Dornbüschen und dichtem Gesträuch, das nicht etwa zur Abwehr angreifender Feinde künstlich angepflanzt wurde, das man wohl aber gern wuchern ließ, weil es eine bequeme Annäherung an die Burg verhinderte. Für dieses Dornengestrüpp in Burgnähe, das heute längst aufgeforstet ist, war im Mittelalter der Name "Hag" gebräuchlich.

An eine ähnliche Situation erinnert noch die Flurbezeichnung "in der Zeil" vor dem südlichen Wall (heute Ackerland und Neubaugebiet). Mit einer Zeile auf der Tafel oder mit einem zeilenartigen Ackerstück hat der Name nichts zu tun. 1329 schon wird der Name verzeichnet:

Das männliche mittelhochdeutsche Wort zil bedeutet Dornbusch, Hecke. Das Gelände vor den Wallanlagen, das für den Ackerbau nicht geeignet war, überließ man der Schaf- und Gänseherde. Auf ihm stellte sich nach und nach jenes Bild ein, das wir von alten Hutungen im Hahnenkamm noch kennen und das im Mittelalter weit verbreitet war: auf den kurzrasigen Weideflächen stehen Buschgruppen von Schlehen, Wacholder und Weißdorn, aus denen im Frühling vielstimmiger Vogelgesang erschallt.

Ein anderes Bild muß der Südhang des Bergsporns geboten haben. Dort ist die Flurbezeichnung "im Hofgarten" fast über den gesamten Bereich des Hanges verbreitet. Hier lag der Baumgarten, der zu jeder Burg gehörte und das Obst für die Herrschaft zu liefern hatte. Im 15. Jahrhundert wurden Teile aus dem Hofgarten abgetrennt, sehr viele Sölden erscheinen dann mit einer Abgabe aus einem Garten. Auf verschwundene Waldbestände, die noch zu Beginn des 12. Jahrhunderts die gesamte Gemarkung von Hohentrüdingen überzogen, weisen vor allem die Flurnamen auf -kreut (mundartlich kreit) hin. Sie beruhen alle auf dem mittelhochdeutschen Wort ruiten = reuten, ausreuten, urbar machen. Die Stelle, auf der der Wald gerodet wurde, nannte man das Gereut (mundartlich Kreit). Namen dieser Art sind im Hahnenkamm nicht selten, sie häufen sich aber ganz besonders in der Gemarkung Hohentrüdingen nicht nur im entlegenen Außenbereich, der ja heute noch vom Wald eingenommen wird, sondern auch in ihren Innenbezirken. Reine Lagebezeichnungen wie hinters, mittleres, vorderes Kreut wechseln mit Besitzernamen. Im alten Ortsplan aus dem vorigen Jahrhundert sind noch zu lesen: Abrahams Kreut, Kölbels Kreut, Hessenkreut, Meiers Kreut. In einem Lucken- Trieb- und Hutbrief vom Jahr 1681 sind allein in der Hohentrüdinger Flur 22 verschiedene Besitzer von Feldstücken aufgezählt, die den Namen Kreut tragen. Es ist nicht zu leugnen: Im Flurnamenbild von Hohentrüdingen spiegelt sich noch heute der historische Vorgang einer großräumigen Rodung des Waldes im 12. Jahrhundert wider, der mit der Errichtung eines neuen Herrschaftszentrums der Edlen von Truhendingen verbunden war.

Südhang

Südhang des Hohentrüdinger Berges

Streuobstwiesen im ehemaligen Hofgarten